Stick-Workshop
Die menschliche Hand ist das Universalwerkzeug par excellence; von Geburt an hilft sie uns, die Welt zu ertasten und zu be-greifen. Als Kind habe ich viel mit meinen Händen gemacht: Teig geknetet, Pflanzen im Garten gepflegt, Tiere gestreichelt oder die ersten Griffe beim Stricken und Sticken geübt. Auch liebte ich es, den fleissigen Händen meiner Mutter zuzusehen, die so viel Schönes und Nützliches hervorbrachten. Später habe ich meine Hände beinahe vergessen, sie waren einfach da und ich tat mit ihnen das, was die meisten Menschen tun. Erst gegen das Ende meines Philosophiestudiums rückten sie wieder in den Fokus und begannen Dinge zu erschaffen. Es war, als ob sie – unabhängig von meinem Willen – zum neuen Leben erwachten. Ich entdeckte das Stricken wieder; mühsam und qualvoll glitt die Wolle zwischen meinen Fingern und ich versuchte zu be-greifen, was die Masche tut. Später kamen Sticken, Häkeln und Weben hinzu und ich konnte kaum den eigenen Augen trauen, was alles ich zu produzieren imstande war. Die Vielfalt der von Hand hergestellten Dinge belebt seither meinen Geist und erfreut alle, die ich kenne. Im Zusammenspiel mit meinen Augen und meinem Geist kreiert die Hand ein Universum, in dem alles möglich ist: Techniken und Objekte aus vergangener Zeit treten in Erscheinung oder sie lässt neue, noch nie dagewesene Dinge entstehen und erzählt mit einem Faden viele Geschichten.
Die scheinbar belanglose Tätigkeit des Stickens beflügelt meine Fantasie und entführt mich zurück in die Kindheit. Die bescheidenen Ausgangsmaterialien (Stoff, Fäden und Nähnadel) machen es möglich, das Sticken an individuelle, zeitgemässe oder gar subversive Sujets anzuwenden. Das kontrollierte Zerstören des Gewebes hat für mich etwas zutiefst Menschliches. Zugleich bringen wir in eine bestehende Struktur eine neue, menschliche Ordnung hinein. Es ist für mich jedes Mal ein kleines Wunder, wenn die Menschen in dem, was ich gestickt habe, die ursprüngliche Figur – sei es eine Pflanze oder ein Tier – erkennen. Es ist, als ob ein gestickter Vogel seine Flügel ausbreitet und in die Höhe fliegt.
Jana Bochet ist freischaffende Philosophin aus Zürich. Als Arbeit an der Masche bietet sie Kurse und Workshops an, die Handwerk mit Spiel verbinden und kleine Kunstwerke entstehen lassen.
Weitere Informationen und Buchungen (auch für Firmenanlässe oder Gruppen) unter:
https://www.visitlocals.ch/de/touren/sticktagebuch-online-option
Geschrieben von Masche
Veröffentlicht am 08.12.2021