VisitLovers in der Luzerner Rundschau
Die Tourismusbranche ist in Luzern in den letzten Jahren unter Druck geraten. Denn obwohl immer mehr Gäste die Leuchtenstadt besuchen, profitiert die Bevölkerung zu wenig. Die Einwohner klagen über hohe Preise und immer weniger öffentlichen Raum. Besonders das Bewusstsein für die negativen Auswirkungen der unkontrollierten Tourismusströme soll geweckt werden, sind sich Experten einig.
«Jede Stadt hat eine gewisse Kapazität, weshalb es irgendwann einfach zu viele Touristen gibt, um ein normales attraktives Leben für die Bevölkerung zu ermöglichen», erklärt der österreichische Tourismus-Experte Vladimir Preveden. Es komme dann zum Bruch zwischen Einwohnern und Touristen, worunter letztlich beide leiden würden. Tatsache ist, wir sind vom Tourismus abhängig. Dass dieses Verhältnis nicht nur gesund und nachhaltig ist, zeigt das jüngste Beispiel mit dem Coronavirus. Auf einen Schlag fehlen die Reisegruppen aus China – und somit das Lebenselixier für viele Hotels, Juweliere und Attraktionen in der Umgebung.
2017 feierte die Stadt Luzern 125 Jahre Tourismus. Jürg Stettler leitet das Institut für Tourismuswirtschaft ITW der Hochschule Luzern und lieferte damals folgende Hochrechnung zu den Entwicklungszahlen: Im Jahr 2014 waren 8,2 Millionen Tagesgäste in Luzern, 2030 werden es 12 bis 14 Millionen sein. Jahrelang hat sich Luzern um mehr Touristen bemüht. Jetzt kommen sie. Nur hat keiner der Werber mit dem Widerstand der Stadtbevölkerung gerechnet. "Wenn wir über Tourismus diskutieren, dann sprechen wir darüber, in was für einer Stadt wir in 20 Jahren leben wollen", sagt Stettler ergänzend.
Interessengruppen verknüpfenDie Lokalbevölkerung fühlt sich durch den aufkommenden Tourismus behindert, weil alle zur gleichen Zeit dasselbe sehen wollen. Ein Teil der Lösung ist das Dezentralisieren der touristischen Angebote in verschiedene Regionen.
«Wir wollen ein ergänzendes Produkt zum klassischen Tourismus anbieten – mit anderen und einzigartigen Geschichten. Für Gäste aus der Region und für Fremde. Darum arbeiten wir auch eng mit dem Kanton Luzern, Luzern Tourismus und weiteren Regionen zusammen», sagt der Geschäftsführer von VisitLovers, Andreas Gassmann. «Kleinere Bergbahnen, nur 10 km von der Stadt entfernt, sind froh um jeden Touristen. Randregionen haben oft eine wunderbare Natur zu bieten. Und in der Stadt stehen sich die Gäste auf den Füssen. Es braucht also nur ein spannendes Angebot für die Gäste.»
Neuartiges Tourismus-PortalMenschenmassen, die sich durch enge Altstadtgassen drängen oder überfüllte Aussichtspunkte – das geht auch anders. Mit diesen Hintergrundgedanken hat sich im letzten halben Jahr das Luzerner StartUp ein Projekt aufgebaut, das unsere Region viel persönlicher und näher erlebbar macht. Menschen und ihre individuellen Geschichten stehen dabei im Fokus. VisitLovers will Einheimischen und Gästen die Region auf eine neue Art und Weise zeigen. «Wir sehen eine Nachfrage bei Familien-, aber auch Vereinsausflügen oder bei Teamevents für Firmen», sagt Andreas Gassmann.
Bevölkerung miteinbeziehenAuf dem Portal hat jede/r Interessierte die Möglichkeit, spannende Touren oder spezielle Workshops anzubieten oder selber die Region auf eine neue Weise zu erleben. «Bisher verzeichneten wir vor allem einheimische Besucher, die vor der eigenen Haustüre etwas Neues erleben wollen», erklärt Andreas Gassmann.
Die Zugriffe und Buchungen steigen wöchentlich. Momentan sind 60 Touren und Workshops online und viele weitere in der Pipeline. Thematisch deckt Visitlovers ein sehr breites Spektrum ab: Zu finden ist beispielsweise das Sauerteig-Brotbacken mit dem Profi, eine Kräutertour mit der Kräuterfee oder mit einem Förster einen riesigen Baum nach traditioneller Art fällen. Aktuell sind die Angebote auf die Zentralschweiz begrenzt- im Frühling wird voraussichtlich auf die deutschsprachige Schweiz ausgeweitet. Andreas Gassmann hat zuvor einige Jahre in der Tourismusbranche gearbeitet und verfügt daher über ein grosses persönliches Netzwerk.
Mitmachen und den nachhaltigen Tourismus auf eine sympathische Art mitgestalten kann jede interessierte Person, die Freude im Umgang mit Menschen hat. Die Tourguides senden Videos zu ihrem Hobby, Beruf oder zu ihrer Leidenschaft ein und erzählen von den Erlebnissen ihrer jeweiligen Angebote. So erhält der Kunde einen stimmigen Eindruck und sieht schnell, ob ihm das Angebot passt oder nicht. Die Tourguides bestimmen den Preis ihres Angebotes selbst und sind flexibel hinsichtlich des Zeitpunktes der Tour. Bedingung ist, dass die Gäste immer eine spezielle Geschichte kennenlernen und mit zwei Highlights überrascht werden. «Bei Preisen unter 100 Franken ziehen wir 10 Franken ein, über 100 Franken bekommen wir als Plattform 10 Prozent des Preises. Dafür hat der Anbieter sonst keinen administrativen Aufwand», sagt Andreas Gassmann. Künftig will er das Angebot auch ausländischen Touristen schmackhaft machen. «Die Touren sind bereits jetzt zu zwei Drittel auf Englisch buchbar.»
Wir dürfen gespannt sein, mit welchen Angeboten VisitLovers in Zukunft auftrumpfen wird, die selbst von lokalen Muster-Hipster nicht verpasst werden dürfen. Schliesslich pulsiert das Leben am meisten dort, wo Bekanntes auf Unbekanntes trifft.
Corinne Schnider
https://www.luzerner-rundschau.ch/stadt/detail/article/abseits-der-touristenstroeme-00181163/
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Veröffentlicht am 16.03.2020